Operation Libero Selbstbestimmungsinitiative Vertragsbruch

Die Eidbrecher

Zum Glück für die Schweiz gab es 1291 noch keine SVP.

Von Roger Kölbener, Präsident FDP International und Mitglied der Operation Libero

Dieser Beitrag erschien zuerst als Kommentar im Bündner Tagblatt vom 01. November 2018.

Dem deutschen Romantiker Friedrich Schiller verdanken wir bekanntermassen den Schweizer Gründungsmythos. Im Tell lässt er die drei Eidgenossen auf dem Rütli schwören: „Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr.“

Stellen wir uns vor, an ihrer Stelle hätte der Vogt, also der SVP-Nationalrat Vogt, gestanden. Mit samt seiner schwurbligen Selbstbestimmungsinitiative im Gepäck. Der Eid wäre schlicht nicht zu Stande gekommen! Und mit ihm kein Schweizer Volk. Denn wer würde sich schon auf jemanden verlassen, der sich explizit herausnimmt, dann vielleicht doch nicht zu seinem Wort zu stehen. Schiller hätte korrigieren müssen: „Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern – freilich ausser in der Not des Widerspruchs und der Gefahr schwammig formulierter Volksinitiativen.“

Was damals für die Eidgenossen galt, gilt auch heute für die Schweiz in einer globalisierten Welt: „Pacta sunt servanda“ – „Verträge sind einzuhalten“ lautet der Grundsatz der Beziehungen zwischen den Staaten dieser Welt. Er bringt nichts anderes zum Ausdruck als die gegenseitige Verlässlichkeit, auf der bereits der Eid im Nationalmythos beruhte. Genau diese Verlässlichkeit schafft Stabilität und Rechtssicherheit in der Welt. Wovon wiederum insbesondere kleine Staaten profitieren, denn sie würden im Kräftemessen der grossen Wirtschafts- und Militärmächte stets den Kürzeren ziehen. Auf eine Exportnation wie die Schweiz, welche 70% ihrer Erträge direkt oder indirekt im Handel erwirtschaftet, trifft dies nochmals in besonderem Mass zu. Rund 600, oft sehr technische Verträge, welche unsere Beziehungen zur Welt regeln, stehen plötzlich auf dem Spiel.

Die Selbstbestimmungsinitiative atmet den typischen SVP-Geist der Selbstüberschätzung und Abschottung. Statt mehr Demokratie schafft sie einen neuen Automatismus: Künden, ohne dass das Volk dazu überhaupt Stellung nehmen könnte! Die Initiative bringt keine Verbesserung. Sie löst kein einziges Problem, sie bewirtschaftet diese nur. Stattdessen bringt sie Rechtsunsicherheit und schadet der Glaubwürdigkeit einer international vernetzten Schweiz. Die drei Eidgenossen haben ihr NEIN dazu bereits 1291 eingeworfen.