Der Geist der Selbstbestimmungsinitiative ist zurück

6 Jahre danach: Der Geist der Selbstbestimmungsinitiative ist zurück

Ein Rück- und Ausblick

Die good News zuerst: Vor sechs Jahren lehnte das Schweizer Stimmvolk die sogenannte Selbstbestimmungsinitiative (SBI) der SVP mit 66,2 Prozent überdeutlich ab. Die bad News: Der Geist der SBI ist wieder zurück, die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) mehr denn je unter Druck. Ein Rück- und Ausblick.

Die SBI richtete sich gegen den verfassungsmässigen Vorrang des Völkerrechts und hatte zwangsläufig die Kündigung der EMRK zum Ziel. Die SVP verschleierte ihr Ziel mit braven und ungebrandeten Plakatsujets, strich kritische Passagen zur Kündigung der EMRK wieder aus ihrem Argumentarium und scheute vor populistischen Last-Minute-Inseraten und Fake-News nicht zurück.

Doch der Angriff auf die Institutionen unserer liberalen Demokratie, auf die Fundamente unseres Rechtsstaates und auf unsere Menschenrechte wurde am 25. November 2018 abgewehrt. Möglich war das deutliche NEIN nur unter vereintem Einsatz: Das Engagement praktisch aller Parteien, von Jurist*innen, Alt-Botschafter*innen, prominenten Musiker*innen, Frauenorganisationen, Wirtschaftsverbänden, KMUs, der “Allianz der Zivilgesellschaft” mit über 100 Schweizer NGOs sowie unzähliger Bürger*innen war nötig.

Rückblick auf die Selbstbestimmungsinitiative
Rückblick auf die Selbstbestimmungsinitiative
Rückblick auf die Selbstbestimmungsinitiative
Rückblick auf die Selbstbestimmungsinitiative
Rückblick auf die Selbstbestimmungsinitiative
Rückblick auf die Selbstbestimmungsinitiative
Rückblick auf die Selbstbestimmungsinitiative
Rückblick auf die Selbstbestimmungsinitiative
Rückblick auf die Selbstbestimmungsinitiative

Auch Operation Libero warf alles in die Waagschale: Wir unterstützten die Koordination der “Allianz der Zivilgesellschaft”, verteilten zweihunderttausend Flyer, organisierten Mobilisierungs-Events, lancierten eine Studie zum Völkerrecht, informierten in Erklärvideos über die Initiative, standen auf unzähligen Podien und Auftritten für ein NEIN ein, verbreiteten Argumentarien, richteten eine Inhalts-Hotline ein, wiesen mit Plakaten und Inseraten auf den gefährlichen Inhalt der Initiative hin und versuchten, möglichst viele Schweizer*innen an die Urne zu bewegen.

Schon über ein Jahr vorher konnten wir auf dem Rütli und am Helvetiaplatz den ersten und grössten Crowd-Bundesbrief der Geschichte ausbreiten. Wir konnten mit diesen Aktivitäten einen wichtigen Beitrag zum glasklaren Nein zur SBI beitragen.

Rückblick auf die Selbstbestimmungsinitiative

Und heute?

Heute wirkt es so, als hätte es diese krasse Absage von 66,2 Prozent gegen die SBI, und wofür sie stand, nie gegeben. Was ist passiert?

Im April fällte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der Hüter über die EMRK, ein Leiturteil zu den KlimaSeniorinnen. Doch dieses Urteil passte nicht allen: Ende August liess der Bundesrat salopp und fälschlicherweise verlauten, das Urteil sei bereits umgesetzt. 

Denn die Schutzwirkung dieses Systems beruht darauf, dass Urteile des Gerichtshofes verbindlich sind. Der EGMR stärkt unsere Rechte und schützt uns vor staatlicher Willkür.

Der Bundesrat wurde so zum Vorbild für Autokraten, autoritäre Politiker und Populisten überall in Europa. Mit Handkuss werden sie auf das Manöver des Schweizer Bundesrates verweisen, wenn ihnen in Zukunft ein EGMR-Urteil politisch nicht gefällt. Und damit nicht genug. Der Ständerat stimmte im September für eine Motion mit dem Titel «Der EGMR soll sich an seine Kernaufgaben erinnern». Diese Motion stellt die Unabhängigkeit des EGMR sowie seinen Einfluss auf nationales Recht in Frage und fordert ein länderübergreifendes Vorgehen gegen den Gerichtshof. Und die SVP, gestärkt durch die Anti-EMRK-Stimmung, forderte in einer Sondersession die Kündigung der EMRK (ohne Erfolg).

Die Summe aller bisherigen Kapitel stimmt uns nachdenklich

Bundesrat und Parlament rütteln ausgerechnet zum 50-jährigen Jubiläum der Schweizer Ratifizierung der EMRK (diesen Donnerstag, 28. November 2024, komm an unsere EMRK-Installation in Bern) am Fundament des Menschenrechtsschutzes. 

Sechs Jahre nach dem klaren Nein zur SBI scheint in Bundesbern salonfähig, was damals vom Volk vehement abgelehnt wurde. Umso vehementer müssen wir uns gegen diese Angriffe auf den Menschenrechtsschutz wehren. Die Menschenrechte stehen unter Druck und müssen gestärkt statt geschwächt werden. Darum braucht es heute wieder wie damals gegen die SBI ein lautes Einstehen für die EMRK. Sie ist eine der wichtigsten liberalen Errungenschaften Europas.

29 Schweizer NGOs fordern in einem offenen Brief die Politik zum verantwortungsvollen Handeln auf. Unterzeichne auch du den offenen Brief.



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Verfasserin: Julia Schwitter, Vorstandsmitglied Operation Libero

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