
Demokratie ist Freiheit – ein persönlicher Gedanke
Tag der Demokratie
Demokratie ist Freiheit. Gemeinsame Freiheit. Für mich heisst das, dass wir als Individuen unser Leben frei gestalten können – im Einklang mit anderen. Dass wir lieben, arbeiten, streiten und unsere Meinung äussern dürfen, ohne Angst vor Ausgrenzung oder Repression. Dass wir als Familie oder als Einzelperson, in den unterschiedlichsten Konstellationen, so leben dürfen, wie wir es möchten. Dass wir heiraten dürfen, wen wir wollen – und nicht müssen. Für mich bedeutet Demokratie, dass wir diese Offenheit, diese Vielfalt schützen und stärken.
Aber Demokratie ist nicht etwas, das einmal erkämpft wurde und dann für immer bleibt. Sie ist nie statisch, nie fertig. Damit diese Freiheit auf Dauer funktioniert, braucht es die Demokratie. Und ein gemeinsames Verständnis, dass gewisse Normen eingehalten werden, die uns allen diese Freiheiten ermöglichen. Demokratie muss immer wieder neu austariert werden, in all ihren Facetten. Genau deshalb bin ich Teil von Operation Libero geworden. Weil ich glaube, dass Demokratie nicht nur eine Staatsform ist, sondern ein Versprechen – und dass wir alle Verantwortung dafür tragen, dass dieses Versprechen nicht leer bleibt.
Heute spüren wir – wahrscheinlich stärker als je zu meinen Lebzeiten – wie verletzlich sie ist. Mit den Freiheiten der Demokratie argumentierend werden demokratische Garantien in unterschiedlichsten Punkten in Frage gestellt und angegriffen – von innen wie auch von aussen. Von innen, in der Schweiz, z.B. durch Angriffe wie die SVP-”Grenzschutz-Initiative”, die das zwingende Völkerrecht verletzt, oder No Billag 2.0.
Die Halbierungsinitiative greift eine essenzielle Säule unserer Demokratie an. Wir wissen, wie gefährlich solche Angriffe sind, weil sie die unabhängige Information schwächen, die wir für eine funktionierende Demokratie brauchen. Die deutliche Ablehnung von No Billag 2018 zeigt aber auch, dass eine Mehrheit weiss, wie wichtig der mediale Service public ist. Nächstes Jahr müssen wir wieder eine Mehrheit dafür gewinnen.
Wie Demokratie sich weiterentwickeln kann und muss, zeigt die Demokratie-Initiative. Nicht alle Menschen, die hier leben, haben heute die gleichen politischen Rechte. Unser Einbürgerungsverfahren ist voller Hürden und oft willkürlich. Eine aktive, vollwertige Demokratie lebt davon, dass alle, die dauerhaft hier leben, auch mitbestimmen und nicht nur fremdbestimmt werden.
Nun zu den äusseren Angriffen: Mit Donald Trump sitzt ein erklärter Gegner der liberalen Demokratie im Weissen Haus. Das befeuert autoritäre Bewegungen. Putins Angriffskrieg greift das Völkerrecht und das Europäische Friedens- und Freiheitsprojekt frontal an. Durch den Wegfall des amerikanischen Schutzes stirbt auch das Modell der Schweiz, vom Schutz durch andere zu profitieren, ohne selber viel beizutragen. Die Schweiz darf nicht abseitsstehen, sondern muss Verantwortung übernehmen. Europa bedeutet Frieden und Demokratie – auch für die Schweiz. Diesen Frieden zu verteidigen, geht uns alle an. Und das geht bekanntlich besser gemeinsam als im Alleingang.
Ich frage mich, wie lange wir es uns noch leisten können, zuzuschauen und die Demokratie passiv zu konsumieren, während Demokratie-Gegner*innen proaktiv an ihren Grundfesten rütteln. Durch diese Bedrohungen steht nicht nur ein theoretisches Konstrukt in Gefahr, sondern ganz konkret auch mein Alltag, meine Rechte und die Freiheiten, die ich lebe. Diese möchte ich nicht nur bewahren, sondern aktiv weiterentwickeln. Weil Demokratie uns alle betrifft. Weil ich glaube, dass Demokratie den Einsatz von uns allen erfordert. Sie ist kein Zustand, den wir einfach geniessen, bis das Glas leer ist, sondern ein (anstrengender) lebendiger Prozess, den wir alle mittragen und prägen.
Ich wünsche mir, dass wir wach bleiben und nicht im Status quo einschlafen. Dass wir uns nicht damit zufriedengeben, was einmal erreicht wurde, sondern immer wieder hinschauen, zuhören, diskutieren, mitreden und uns immer wieder auf eine gemeinsame Basis einigen. Dass wir die Freiheit, die uns Demokratie ermöglicht, nicht als selbstverständlich verstehen, sondern als Verpflichtung. Ich möchte nicht bloss “konsumieren”, sondern proaktiv stärken. Das verteidigen, was wir schon haben und es weiterentwickeln, um das Fundament für die Zukunft zu stärken.
Verfasserin: Laura Pohl, Vorstandsmitglied Operation Libero
