Wir brechen eine Lanze für die EU-Zukunftsverträge

Wir brechen eine Lanze Hellebarde für die EU-Zukunftsverträge

Wir haben die Bilateralen III sorgfältig durchgearbeitet. Und haben soeben unsere Vernehmlassungsantwort an den Bundesrat eingereicht. Für uns ist klar: Die Verträge sind ein gut austarierter Kompromiss. Wir brauchen diese EU-Zukunftsverträge, um die Beziehungen zu unserer wichtigsten Partnerin an die heutige Zeit anzupassen und langfristig zu stärken. Unsere wichtigsten Takes und Forderungen.

Kein Projekt ist für die Zukunft der liberalen Demokratie und für die Sicherung individueller Rechte entscheidender als das Europäische Projekt. Keine Frage ist entscheidender für die Zukunft der Schweiz als unsere Beziehung zu Europa.

Die Grundwerte der EU und somit der davon abgeleiteten bilateralen Verträge sind “die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschliesslich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören” (Art. 2 EUV).

Gerade in geopolitisch ungewissen Zeiten, in denen die Errungenschaften des Rechtsstaats und der liberalen Demokratie weltweit unter Druck stehen, gilt es Europa als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu pflegen. Gemeinsam gilt es diese Errungenschaften gegen Autokraten wie Trump und Putin und europäische Rechtspopulist*innen zu verteidigen. Eine gescheiterte EU wäre für die Schweiz nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine sicherheitspolitische und demokratische Katastrophe.

Wir fordern den Bundesrat auf, die gemeinsamen Werte Europas – individuelle Freiheit und Schutz vor staatlicher Willkür – kommunikativ und materiell stärker hervorzuheben.

Operation Libero fordert seit ihrer Gründung im Jahr 2014 einen institutionellen Rahmen für eine geordnete und ambitionierte Beteiligung der Schweiz am Europäischen Integrationsprojekt.

Die Bilateralen III sind die logische Weiterentwicklung der Bilateralen I und II: Sie beheben institutionelle Schwächen – insbesondere bei der Mitsprache und der Aufdatierung – und erweitern die Zusammenarbeit endlich auf die Stromversorgung und die Lebensmittelsicherheit. Wir Schweizer*innen brauchen diese EU-Zukunftsverträge, um unsere Beziehungen zur EU an die heutige Zeit anzupassen und langfristig zu stärken.

Die Bilateralen III würdigen wir als einen gelungenen Ausgleich zwischen einer grossen Vielfalt von unterschiedlichen Interessen, welche sowohl die Schweiz als auch die 27 Nationen der Europäischen Union charakterisieren. Wir fordern den Bundesrat und die zuständigen EU-Behörden auf, diesen zukunftsweisenden Kompromiss in einer Botschaft zur Ratifizierung freizugeben.

Die Personenfreizügigkeit ist für die Schweizer Bevölkerung die grösste freiheitliche Errungenschaft der letzten 50 Jahre. Sie hat uns nicht nur Wohlstand, Innovation und Lebensqualität gebracht, sondern auch die Freiheit, in Europa reisen, leben, lieben, studieren und arbeiten zu können. Und sie wird angesichts der Überalterung und des Arbeitskräftemangels noch an Bedeutung gewinnen.

Die Anpassung des bilateralen Freizügigkeitsrecht an bewährte EU-Bestimmungen ist eine überfällige Massnahme, um die Personenfreizügigkeit für die Schweizer Bürger*innen langfristig abzusichern und die Rechtslage der Personen mit Schweizer Bürger*innenrecht in den Mitgliedstaaten der EU zu klären und  zu stärken. Das sind über eine halbe Million Menschen.

Die geplante Konkretisierung der Schutzklausel im Bereich der Personenfreizügigkeit beurteilen wir hingegen mit grosser Skepsis. Wie es sich aus verschiedenen Bundesgerichtsentscheiden herauslesen lässt, hat die Personenfreizügigkeit einen grundrechtsähnlichen Charakter. Die Möglichkeit, individuelle Rechte, die sich aus der Personenfreizügigkeit ableiten lassen, im Sinne eines Interessenausgleichs einzuschränken, betrachten wir daher sehr kritisch. Wir fordern den Bundesrat auf, die Konkretisierung der Schutzklausel auf der Grundlage von juristisch und wirtschaftswissenschaftlich fundierten Erkenntnissen auf ihre Notwendigkeit und Folgen zu überprüfen.

Operation Libero begrüsst die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für eine umfassende Beteiligung an den EU-Programmen und die nachträgliche Assoziierung an Horizon und Erasmus+. Die Programm-Assoziierungen sind für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz zentral und sollen langfristig abgesichert werden. 

Horizon Europe ist die wichtigste Forschungszusammenarbeit der Welt. Dank den Bilateralen III darf die Schweiz auch in der Leitung und Koordination von Projekten wieder mittun. Das ist für unsere Universitäten und ihr Rating weltweit von grosser Bedeutung. 

Wir bedauern die Nicht-Assoziierung an Creative Europe und fordern den Bundesrat auf, Verhandlungen für eine Vollassoziieruung ab spätestens 2028 anzustreben.

Bisher wurden Streitigkeiten mit der EU politisch ausgetragen. Es galt die Macht des Stärkeren statt die Macht des Rechts. So warf die EU die Schweiz aus dem Forschungsprogramm Horizon oder verwehrte die Anerkennung von MedTech-Produkten. Mit den Bilateralen III bekommt die Schweiz mehr Mitsprache und kann ihre Interessen auf dem Rechtsweg durchsetzen. Wir begrüssen den vorgesehenen institutionellen Mechanismus.

  1. Die dynamische Rechtsübernahme – schon seit 2001 Teil des Luftverkehrs- (seit 2002) und seit 2008 Teil des Schengen/Dublin-Abkommens – wird neu auf insgesamt sechs Abkommen erweitert. Dies leistet einen wichtigen Beitrag im Sinne der Rechts- und Planungssicherheit für alle beteiligten Akteur*innen in der Schweiz. 

    Wir begrüssen, dass alle direktdemokratischen Erfordernisse der Schweiz eingehalten werden. Die Bilateralen III sehen explizit einen «Opt out»-Mechanismus vor, bei dem Schweizer Institutionen (Bundesrat, Parlament, Volk) immer das letzte Wort haben.
     

  2. Die Fortschritte beim Decision Shaping sind bemerkenswert. Unsere direkte Demokratie und Souveränität wird gestärkt, weil die Schweiz neu an der Ausarbeitung von EU-Recht mitarbeiten kann und ihre Interessen von Anfang an einbringen kann. Wir unterstützen die geplante verstärkte Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und der Bundesversammlung, den hochrangigen Dialog und die angestrebten Mitwirkungsmöglichkeiten für die Kantone. Wir fordern den Bundesrat auf, in seiner Botchaft noch näher zu erläutern, wie sich betroffene Kreise möglichst früh im Decision-Shaping-Prozess einbringen können.
     
  3. In den Bilateralen III haben die Schweiz und die EU endlich klare rechtsstaatliche Verfahren definiert, was in Streitfällen passiert. Massnahmen müssen auf die bilateralen Abkommen beschränkt und verhältnismässig sein. Die aktuelle Super-Guillotine-Klausel fällt weg.

    Wir begrüssen die Verankerung des Verhältnismässigkeitsprinzips. Dies führt im Vergleich zum Status quo zu einer wesentlichen Nachbesserung. Allerdings wirft die neu eingeführte Möglichkeit, Vertragsverletzungen über eine Einschränkung der Binnenmarkt-Grundfreiheiten von willkürlich bestimmten Branchen und Personengruppen auszugleichen, aus rechtsstaatlicher Sicht Fragen auf. Wir fordern daher den Bundesrat auf, sich in der Botschaft stärker damit auseinanderzusetzen.

Seit 2007 zahlt die Schweiz Kohäsionsbeiträge an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten. Die Bilateralen III sehen vor, dass die Schweiz ab 2030 den Beitrag auf 350 Millionen Franken pro Jahr erhöht. Das Geld wird direkt in den europäischen Partnerländern für gemeinsam vereinbarte Programme eingesetzt. Von diesen Beiträgen profitieren auch Schweizer Unternehmen und neue Märkte werden erschlossen. Diese «Entwicklungshilfe» ist daher im strategischen Interesse der Schweiz. Jeder Franken, den die Schweiz hier ausgibt, kommt mehrfach zurück.

Wir unterstützen die völkerrechtliche Verankerung und Anerkennung des Kohäsionsbeitrages und erachten den vorgeschlagenen Betrag als angemessen. Die Kohäsionsbeiträge ermöglichen einen Finanzausgleich zwischen strukturstarken und strukturschwachen Regionen Europas und knüpfen an einen bewährten Schweizer Ansatz an. Die Schweizer Verpflichtung zur europäischen Solidarität ist in dieser Hinsicht zu begrüssen.

Wir begrüssen die Verhandlungsergebnisse zum Strommarktabkommen. Wir unterstützen die Zusammenarbeit im Strombereich mit der EU zur Sicherstellung einer kostengünstigen und sicheren Stromversorgung in der Schweiz. Ohne Stromabkommen ist die Einbindung der Schweiz ins europäische Stromnetz nicht abgesichert. Es wäre zu befürchten, dass in Zukunft sowohl die Import- als auch die Exportmöglichkeiten stark eingeschränkt würden. Insbesondere im Bereich Regelenergie ist das Schweizer Stromnetz auf die Kapazitäten des europäischen Verbundnetzes angewiesen. Wir begrüssen, dass die Schweiz neu die Weiterentwicklung des EU-Strommarktes mitgestalten kann. Damit ergibt sich endlich auch die Möglichkeit, nicht nur passiv zuzuschauen und nachzuvollziehen, sondern auch aktiv Einfluss zu nehmen.

Durch die Marktöffnung für alle Endverbraucher*innen können neue innovative Preismodelle entstehen, die den zukünftigen Gegebenheiten bedeutend besser Rechnung tragen. Gleichzeitig wird niemand gezwungen, in neue Modelle zu wechseln. Durch den zusätzlichen Wettbewerb ist damit zu rechnen, dass die Strompreise attraktiver sind als in einem System mit vollständig regulierten Preisen. Für die Erreichung der Klimaziele ist es entscheidend, dass der Zubau von Erzeugungsanlagen, die erneuerbare Energien nutzen, vereinfacht, gesteigert und beschleunigt wird. Durch Artikel 21 (Erneuerbare Energien) im Abkommen wird dieser wichtige Aspekt nochmals aufgegriffen und betont.

Operation Libero fordert den Bundesrat und das Parlament auf, das Paket Schweiz-EU, wie vom Bundesrat bereits vorgeschlagen, dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Die Bundesverfassung von 1999 ist zu diesem Punkt eindeutig: Artikel 140 zeigt, dass das obligatorische Referendum nur bei einer Änderung der Bundesverfassung, bei einem Beitritt zu Organisationen für kollektive Sicherheit oder supranationalen Gemeinschaften oder bei dringlich erklärten Bundesgesetzen ohne Verfassungsgrundlage vorgesehen ist. Das trifft auf das vorliegende Vertragspaket nicht zu.

Ein willkürlicher Beschluss des Parlaments, für die Ratifizierung dieses Abkommens von den Bestimmungen der Bundesverfassung abzuweichen, entspräche einer Kompetenzüberschreitung der Legislativbehörde und würde einen gefährlichen Präzedenzfall setzen, der über diese Abkommen hinaus die politische Handlungsfähigkeit der Schweiz einschränken könnte.

Wer das doppelte Mehr von Volk und Kantonen für Themen verlangt, die von der Verfassung nicht fürs Ständemehr vorgesehen sind, reduziert die Stimmkraft der Bürger*innen in den grösseren Kantonen wie Zürich oder Bern bis zu einem Faktor 40 gegenüber kleinen Kantonen wie Appenzell Innerrhoden oder Glarus. Das ist nicht demokratisch. Die Sperrminorität der kleinen Landkantone darf nur gelten, wo es auch in der Verfassung wirklich vorgesehen ist.

Unter Vorbehalt der notwendigen Abklärungen würdigen wir die Bilateralen III aus liberaler Warte klar als Fortschritt und empfehlen daher, die ausgehandelten Verträge und die innerstaatliche Umsetzung in einer Botschaft an das Parlament zu überweisen mit dem klaren Antrag, die Vorlage allein dem fakultativen Referendum zu unterstellen.

Nichtsdestotrotz lösen diese Abkommen nicht alle jetzigen und zukünftigen Herausforderungen. In einer sich rasch verändernden Welt muss Europa seine geostrategische Handlungsfähigkeit ausbauen und seine Institutionen modernisieren. Wir fordern daher den Bundesrat auf, sich ebenfalls an den Bestrebungen über die Stabilisierung der europäischen Institutionen und über die Weiterentwicklung des europäischen Integrationsprojekts in einem multilateralen Rahmen zu beteiligen. Die Zukunft kann nicht zu lange warten.

Pink

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