Laura Zimmermann BDP

Chancenland. Unsere Heimat.

«Ich bin Verfassungspatriotin»

Laura Zimmermann, Co-Präsidentin der Operation Libero, über das Chancenland Schweiz, Heimatgefühl, Verantwortung und hässliche Flecken.

Eine Rede von Laura Zimmermann, Co-Präsidentin der Operation Libero, an der Delegiertenversammlung der BDP Schweiz in Pratteln am 22. April 2017.

«Wir haben keine Angst» - mit diesen Worten haben wir mit der Operation Libero uns vor drei Jahren gegründet. Diese Worte stehen am Anfang unseres damaligen Appells für die Zukunft. Für die Zukunft der Schweiz  als Chancenland des 21. Jahrhunderts und nicht einer Schweiz als Freilichtmuseum.

Wir sind angetreten mit unserer Vorstellung der Schweiz als Chancenland, in der Freiheiten ermöglicht und Chancen geboten werden.  Einer Schweiz, die Zuwanderung als Bereicherung erkennt und die ihre humanitäre Tradition hochhält. Einer Schweiz die weiss, dass sie wegen, und nicht trotz ihrer Offenheit ein erfolgreiches Land ist. Einer Schweiz, in der die Leistung zählt und nicht die Herkunft. Einer Schweiz, die Selbstverantwortung und Pioniergeist fördert, die Wachstum als Grundlage einer gerechten Gesellschaft sieht, und die Fortschritt als Ziel versteht. 

Es ist eine Schweiz, die uns allen am Herzen liegt. Eine Schweiz, auf die wir alle in Zukunft bewusst stolz sein dürfen, weil wir sie mitgestaltet haben. 

Dazu, für dieses Chancenland Schweiz, braucht es den Willen aller progressiven Stimmen in diesem Land. Es braucht den Willen, die Zukunft der Schweiz mitzugestalten und für die Schweiz zu kämpfen und einzustehen, die wir uns wünschen. Und wenn ich so auf die politische Landschaft in der Schweiz schaue und auf die Ereignisse in Europa – dann braucht es diesen Willen, diesen Einsatz noch viel mehr, als bei unserer Gründung.

«Es steht zu viel auf dem Spiel um nur zuzuschauen» - auch das ist einer der Sätze, welchen wir bei unserer Gründung in unsere Manifest geschrieben haben und er stimmt mehr denn je. Denn schlussendlich geht es um Verantwortung. 

Von Beginn an haben wir bei der Operation Libero den Begriff des Verfassungspatriotismus verwendet. Es ist ein Begriff, der Patriotismus mehr als ein Verantwortungsgefühl beschreibt, denn als Stolz – stolz zu sein auf die eigene Herkunft, für die man nichts kann, ist meiner Ansicht nach ohnehin etwas recht seltsames. Ich bin Verfassungspatriotin. Ich bin mir bewusst, dass uns Errungenschaften in die Hände gegeben worden sind, die wertvoll und zerbrechlich sind. Errungenschaften, die es zu verteidigen und zu pflegen gilt. Als Verfassungspatriotin verspüre ich dazu grosse Lust und - eigentlich noch mehr - ich spüre dazu eine grosse Verantwortung. 

Unsere Verfassung ist eine sehr gute Verfassung. Sie schützt die Grundrechte, sie bettet die Schweiz ein in eine internationale Ordnung, sie limitiert und verteilt politische Macht im Land, in dem sie das Land sehr stark demokratisch und föderalistisch organisiert und politische Institutionen mit sehr flachen Hierarchien konstruiert. 

Doch sie enthält auch einige hässliche Flecken, wie die Minarett-, die Ausschaffungs-, die Verwahrungs- oder die Masseneinwanderungsinitiative. Diese Flecken sind ein wichtiger Grund dafür, warum wir uns zusammen gerauft haben, warum die Operation Libero gegründet wurde, warum ich mich engagiere: Wir wollen unsere Verfassung schützen, wir wollen sie pflegen, wir wollen sie weiterbringen und wir wollen sie vor weiteren hässlichen Flecken bewahren. Wir wollen sie bewahren vor weiteren Angriffen auf unsere Institutionen.

Die Einzigartigkeit dieses Landes und die Lebensqualität in diesem Land haben nicht in erster Linie mit einer Kultur zu tun. Sie haben auch nicht zwingend mit Mentalität zu tun.  Sondern sie haben mit den Institutionen dieses Landes zu tun. Mit den staatlichen und den privaten. Es sind diese Institutionen die gepflegt und geschützt werden müssen. Und die für die Zukunft weiterentwickelt werden müssen.

Es ist eine gute Verfassung, die uns soviel Freiheit und Lebensqualität ermöglicht. Aber auch eine Verletzliche. Und darum tragen wir eine Verantwortung. Eine Verantwortung für die Chancen der zukünftigen Generationen. 

Die Schweiz als Chancenland, sie soll unsere Heimat sein und sie soll die Heimat sein der zukünftigen Generationen. Jede und Jeder soll sich im Chancenland zugehörig fühlen können. Ob jemand dazu gehört, soll nicht von seiner Gesinnung oder seiner Herkunft abhängen. Eine liberale Gesellschaft lebt von ihrer Offenheit, von ihrer Diversität, von ihrer Fähigkeit, sich weiterzuentwickeln. Eine liberale Gesellschaft lebt vom Respekt vor dem Individuum. Sie lebt von der Freiheit für den einzelnen Menschen - aber sie lebt gleichzeitig davon, dass sich eben dieser einzelne Mensch zu dieser Gesellschaft zugehörig fühlen kann, ohne eine Gesinnungsprüfung abzulegen oder seinen Stammbaum aufzuzeichnen.

Eine liberale Gesellschaft lässt Heimat zu. Für jeden. Ob sich jemand «zu Hause» fühlt ist eine höchst individuelle Frage. Heimat ist von den Lebensumständen abhängig und vor allem: Heimat kann nicht durch die Politik geschaffen werden. Doch die Politik muss Rahmenbedingungen sicherstellen, welche Ausgrenzung verhindern und somit Zugehörigkeit ermöglichen und die Regeln des Gemeinwesens klar vermitteln. Immer häufiger wird versucht, einen Keil in die Gesellschaft zu treiben und die Zugehörigkeit an spezifische Merkmale zu knüpfen, insbesondere durch Abstammung oder Religionszugehörigkeit. 

Unser vereinigendes Merkmal besteht darin, dass eine Vielfalt individuell gewählter Gemeinschaften möglich ist. Das funktioniert. Die Schweiz hat das bewiesen. Sie ist ein Land mit vier Landessprachen, verschiedenen Konfessionen  und verschiedensten Traditionen. Ich bin froh, in diesem Land zu leben. Und ich will nicht zurück zum vorgegaukelten Ideal einer homogenen Schweiz, einer Schweiz welche es so nie gegeben hat. Ich will nicht zurück in eine fiktive Vergangenheit. Meine Heimat ist das Chancenland. 

Ich erkenne mich nicht in einer Schweiz, die das Fremde für alles Übel verantwortlich macht und Veränderung als Bedrohung betrachtet. Ich sehne mich nicht nach einer vermeintlich heilen Vergangenheit, die es so nie gegeben hat. Die Schweiz ist kein Freilichtmuseum. Wir leben. Wir bewegen uns vorwärts. Also lasst uns die Chancen packen, die uns eine Welt im Umbruch bietet.

Ich habe keine Angst, denn ich bin überzeugt, dass wir unsere besten Zeiten noch vor uns haben. Ich habe keine Angst, denn ich glaube an das Chancenland Schweiz. Ich habe keine Angst, denn ich hoffe, dass Sie hier alle mit mir an diesem Chancenland arbeiten werden.

Es ist nun an der Zeit für die bürgerlichen und progressiven Kräfte in diesem Land, zu kämpfen für dieses Chancenland. Für eine Schweiz, die sich vorwärts bewegt. Es ist Zeit für Verfassungspatrioten. 

Ich freue mich auf eine gemeinsame Zukunft. Danke.